Wohnungsbesichtigung: Manchmal muss das Los entscheiden
Der Wohnungsmarkt ist in aller Munde. Reportagen über Wohnungsbesichtigungen mit Dutzenden Bewerbern treibt Menschen, die über einen Umzug nachdenken (müssen) den Schweiß auf die Stirn. Ich wollte es aus erster Hand erfahren und habe Immobilienmaklerin Erika Englitz-Schönke bei einer Wohnungsbesichtigung begleitet.
Eine Wohnung in Hannover-Linden – ein insbesondere bei jungen Leuten begehrter Stadtteil. Die Uni ist nicht weit und in Linden ist immer etwas los.
30 Bewerber füllen die Wohnung, die wohl jeder sofort nehmen würde. Dielenboden, eine schöne Aufteilung, gerade renoviert und – Südbalkon. Stress für die, die gekommen sind, aber auch für die Maklerin. Erika Englitz-Schönke muss sich in relativ kurzer Zeit über zwei bis drei Dutzend zumeist junge Menschen einen Eindruck verschaffen. „Natürlich benötige ich von jedem und jeder auch schriftliche Unterlagen“, sagt die Maklerin mit 20 Jahren Berufserfahrung. „Aber ein persönlicher Eindruck – negativ wie positiv – bleibt hängen, zumal ich die Unterlagen in der Regel sehr schnell bearbeite, meistens gleich am Folgetag.“ Zum Teil kennt man sich aber auch schon. „Sie waren doch schon zweimal bei einer Besichtigung dabei, oder?“, fragt sie eine junge Frau, die daraufhin mit Galgenhumor nickt. Wohnungsbesichtigung: Einer wird gewinnen
Organisation einer Wohnungsbesichtigung
Als alle BewerberInnen da sind – außer denen, die zu spät kommen – stellt die Maklerin in wenigen Worten die Wohnung vor, ihre Vorzüge und Besonderheiten, die bei dem Trubel vielleicht sonst untergehen würden. Dann erklärt sie einen der Räume zu ihrem „Büro“: „So können sich die Interessenten die anderen Räume in Ruhe anschauen“, erklärt sie. Zum Schluss enden dann alle Rundgänge bei ihr zur Abgabe der „Bewerbungsunterlagen“ und zur Beantwortung der Fragen, die sich beim Rundgang ergeben haben. Dieses Verfahren wendet sie aber nur an, wenn die Wohnung so wie hier unbewohnt ist. Wenn die Vormieter noch da sind, wird die Besichtigung so organisiert, dass die unvermeidlichen Störungen für die Alt-Bewohner so gering wie möglich ausfallen.
Bauchgefühl und harte Fakten
Unter den Bewerbern sind eine Reihe von Wohngemeinschaften, aber auch Paare. Im Grunde sind der Maklerin alle Interessenten gleich sympathisch. „Ich setze auf mein Bauchgefühl, meine 20jährige Erfahrung mit Vermietungen und natürlich auf die schriftlichen Unterlagen“, so die erfahrene Immobilienvermittlerin.
Mietverträge mit Mitgliedern einer Wohngemeinschaft, aber auch Paaren, werden in der Regel nicht mehr mit einem Hauptmieter abgeschlossen, sondern gemeinschaftlich mit allen, damit der Vermieter oder die Maklerin nicht den Überblick verlieren. „Es ist schon vorgekommen, dass plötzlich Leute in der Wohngemeinschaft wohnten, von denen der Vermieter noch nicht einmal wusste, wie sie heißen“. Letztendlich erhöht das auch die Rechtssicherheit für alle Beteiligten.
Viel Verantwortung Mietern und Vermietern gegenüber
Die Maklerin trägt dem Vermieter gegenüber eine hohe Verantwortung. Dass sie dieser gerecht wird, zeigt die zum großen Teil jahrelange Zusammenarbeit mit Wohnungsinhabern. Erika Englitz-Schönke macht ihre Arbeit mit Herzblut und viel persönlichem Engagement, so viel ist schon einmal klar. „Ich betreue eine Reihe von Objekten, wie zum Beispiel dieses hier, ja schon viele Jahre. Immer wieder einmal wird ein neuer Mieter gesucht und ich überlege, wie bzw. ob die Bewerber in die Hausgemeinschaft hineinpassen.“ Vermieter und Mieter so wie die Mitmieter im Haus werden im Idealfall Partner für lange Zeit und da muss auch „die Chemie“ stimmen. Manchmal weist sie potentielle Mieter auch darauf hin, dass die Wohnung vielleicht nicht so ideal für sie sei. „Wenn ein ortsunkundiger Bewerber erfährt, dass seine Fahrzeit zum neuen Job am anderen Ende der Stadt jeden Tag bis zu 30 Minuten pro Strecke betragen kann, ist er froh, dass ich zum Glück fast immer Alternativvorschläge in petto habe“.
So kann man die Maklerin beeindrucken
Natürlich gibt es Wege, Immobilienmakler positiv zu überraschen – oder negativ. Beim Besichtigungstermin in Hannover-Linden, bei dem ich Erika Englitz-Schönke begleiten konnte, gab es Bewerberinnen, die eine veritable Bewerbungsmappe abgaben, mit Foto und einem persönlichen Anschreiben. Sie erklärten darin auch, warum sie umziehen wollten, sei es wegen einer unbefriedigenden Wohnsituation oder wegen eines Studien- oder Arbeitsbeginns. Ob Bewerbungsmappe oder Unterlagen in einer Klarsichtfolie: Hauptsache vollständig und aussagekräftig. Wenn Unterlagen fehlen, sollten sie schnellstmöglich nachgereicht werden, wie z.B. die Bürgschaftserklärung der verreisten Eltern, die bei Schülern und Studenten den Abschluss eines Mietvertrages erleichtern.
Schlechte Chancen haben Bewerber, die schon zur Besichtigung zu spät kommen. Besonders unbeliebt, und nicht nur bei der Maklerin, sind jene, die vor allen anderen Interessenten die Wohnung schlecht machen in der klaren Absicht, möglichst viele Konkurrenten zu vergraulen.
Das ist natürlich kein Kriterium für oder gegen einen Bewerber, aber Immobilienmakler bevorzugen in der Regel die Kontaktaufnahme über SMS, WhattsApp oder E-Mail. „Erstens habe ich die Infos schwarz auf weiß. Zweitens muss ich ohnehin sehr viel telefonieren. Da kann es mit dem Rückruf schon mal ein bisschen dauern“, betont Erika Englitz-Schönke.
Der Endspurt
Wenn sämtliche Interessenten ihre Unterlagen abgegeben haben, heißt es für die Maklerin: Es ist Zeit für das Aktenstudium. Sie ordnet die Unterlagen und stellt die potentiellen Mieter dem Vermieter vor, der sich auch auf ihr persönliches Urteil verlässt. „Manchmal gibt es so viele Bewerber, die dem Vermieter und mir gleichfalls gefallen, dass wir das Los entscheiden lassen“, erklärt die Maklerin. „Mit dem oder der Glücklichen, für die sich der Vermieter schließlich entscheidet, nimmt die Maklerin umgehend Kontakt auf, um einen Mietvertrag abzuschließen. Manchmal hat sich aber bei diesem Bewerber etwas geändert oder er hat schon eine andere Wohnung gefunden. Deshalb bleiben alle anderen im Rennen, bis der Vertrag unterschrieben ist. Wichtig ist Erika Englitz-Schönke: „Bei mir bekommen alle eine Absage, die leer ausgegangen sind, nicht selten mit einem Alternativangebot!“
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